Weltraum-Tourismus
Bitte einmal um die Erde und zurück!
Visionen und Realitäten von touristischen Weltall-Reisen



Wie die Zeit verfliegt, fast so schnell wie ein Raketenstart. Vor 50 Jahren, am 12. April 1961, startete der Russe Juri Gagarin als erster Mensch mit der Trägerrakete ‚Wostok 1’ ins Weltall. Die 108-Minuten-Erdumrundung war mehr als ein Prestigeerfolg für die damalige Sowjetunion im Wettstreit der beiden Supermächte und Systeme. Der jugendlich wirkende und sympathische Bauernsohn war als Mensch weltweit ein Sympathieträger. Viele Kinderträume weckte er. Einschlägige Kostüme gehören wie Cowboy, Rotkäppchen oder Seeräuber seitdem zum Kinderfasching. Es war auch in den damals sozialistischen Staaten nicht nur Ideologie, sondern kam ehrlichen Kinderwünschen entgegen, wenn Träume durch Schüler-Kosmonauten-Zentren und ähnlichen Arbeitsgemeinschaften auf kindlichem Forscher-Niveau etwas real wurden.

Langzeit-Träumen
Das Träumen von der Reise ins All währt allerdings schon lange. Der wohl heute bekannteste, meisterhafte Träume-Verbreiter dieser Art war der Science-Fiction-Schriftsteller Jules Verne mit seinen fantastischen Büchern zum Thema Mondreisen vor etwa 140 Jahren.
Mit den Kosmonauten (Sowjetunion) und Astronauten (USA) kam die Menschheit seit den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts viele Schritte in der Forschung und in punkto ‚Dienst’- und Forschungsreisen außerhalb der Erde voran.

Globales und außerirdisches Reisen
Traumreisen in die Ferne auf der Erde haben eine zumeist feste Klientel. Jedes Jahr leisten sich etwa sieben bis acht Prozent der Deutschen eine Übersee-Urlaubsreise nach Asien, Afrika, in die Karibik, nach Nord- und Südamerika, Australien, Neuseeland, in die Arktis und Antarktis. Einige dieser reiselustigen Normalverbraucher träumen gegenwärtig bereits von Touren zu für sie noch unerreichbaren Zielen. Sie begeistern sich für Reisen, die heute nur wenigen auserwählten Wissenschaftlern oder ein paar Milliardärstouristen vorbehalten sind.

Ein kleiner Exkurs der Marktforschung
Das Leipziger Institut für empirische Forschung LEIF ermittelte mittels repräsentativer Bevölkerungsbefragungen das Interesse an außerirdischen Reisen bei den Ostdeutschen. In dieser Bevölkerungsgruppe gibt es bekanntlich nur sehr wenige Superreiche. Doch die Reiselust zu irdischen Zielen der Nähe und der Ferne ist seit mehr als 20 Jahren sehr stark. Zudem darf Träumen ja wohl erlaubt sein. Nach LEIF würden 18 % der Bevölkerung gern an einem Flug mit Schwerelosigkeit und 19 % an einem Rundflug um die Erde im Weltall teilnehmen. Das ist - wie gesagt - das Interesse, noch nicht die Realisierung. Denn reales Reisen wird durch die bisher extrem hohen Ticketpreise unmöglich.
Wer sind aber diese Reiseinteressenten? Das Durchschnittsalter beträgt 35 Jahre. 16 % der Interessenten sind sogar älter als 55. Diese reiferen Jahrgänge fühlen sich durchaus fit und konnten den Start von Juri Gagarin als Kind miterleben. Die Ausgabebereitschaft für derartige Abenteuerreisen streut statistisch von einigen hundert bis maximal 100tausend Dollar - also noch fern aller Möglichkeiten.

Außerirdische Reisen für jeden zum Buchen nah?!
Bereits vor 15 Jahren erkundigte sich LEIF bei Deutschen nach einer Prognose für Reisen zum Mond. Ein Drittel der Bevölkerung konnte sich damals in absehbarer Zeit Reisen für interessierte Touristen zum Mond vorstellen. Vier Prozent waren damals sehr optimistisch und vermuteten Starts zum Mond mit zahlenden Touristen bis zum Jahr 2010. Dieser Optimismus konnte nicht erfüllt werden.
In den letzten zehn Jahren buchten erste Milliardäre - Nicht-Wissenschaftler und Nicht-Militärs - als Touristen einen Platz für einen erdnahen Flug ins All. Die Reichen der Reichen legten für ein Ticket in der russischen Sojus-Kapsel jeweils bis zu 20 Millionen Dollar auf den Tisch. Das nährt aber trotzdem auch von weniger finanziell betuchten, aber sehr interessierten Nicht-Kosmonauten bzw. Nicht-Astronauten noch intensiver das Träumen von einem orbitalen Flug. Wie gesagt - träumen kann man ja.
Verschiedene Unternehmen arbeiten daran, Tickets zunächst für erdnahe Flüge zu nicht allzu utopischen Preisen zu entwickeln. Am weitesten in der Entwicklung ist Virgin Galactic vom britischen Unternehmer Richard Branson. Ziel ist es, Weltraumflüge für den so genannten ‚Jedermann’ bzw. für ‚Jedefrau’ zu ermöglichen. Bisher soll ein Weltraumflugticket 200tausend Dollar kosten. Geradezu ein Schnäppchen im Vergleich zu den Sojus-Preisen. Seit einigen Jahren werden Raumschiffe getestet, die sechs Reisenden Platz bieten. Im Sommer 2010 flog von diesem Unternehmen ‚SpaceShip 2’, die bisher jüngste Variante der künftigen Touristentransporter, mit zwei Testpiloten an Bord. 380 Touristen haben sich bereits angemeldet. „Wir haben in Deutschland vier feste Buchungen und jede Menge Interessenten.“, erklärt Christoph Berner, Direktor für Produktmarketing bei Design Reisen München, dem Alleinverkäufer dieser Reisen in Deutschland. Gestartet wird vom ‚Spaceport America’. Dieser in der Wüste von New Mexiko (USA) erst vor einem knappen halben Jahr (im Oktober 2010) eröffnete Weltraumflughafen ist der erste ausschließlich für kommerzielle Zwecke.
Wann wird gestartet? Zwar hatte Unternehmer Bransen den Medien im Jahr 2010 erklärt, dass im Frühjahr 2012 die ersten Touristen ins All starten werden. Aber in den Medien wurde schon manch früherer Termin genannt, der dann nicht gehalten werden konnte. „Die finale Testphase läuft.“, relativiert Berner vom Reiseveranstalter für außergewöhnliche Design Reisen. Er wolle sich nicht auf einen festen Starttermin festlegen lassen, damit Betreiber und „…wir als Veranstalter nicht unter Druck stehen.“, sagte er im April 2011 dem Autor.

Training und Besuch geheimer Stätten
Ein Trost für durchschnittliche Gehaltsempfänger - bereits heute können Weltraum-Illusionen auf ‚niedrigerem’ Niveau erfüllt werden. Die Angebote für Weltraum-Fans sind vielfältig. Weltraumtourismus ist ein sehr weites Feld. Tourismusforscher zählen dazu auch den Besuch von einschlägigen Museen und historischen Stätten. Nach dem Ende des Kalten Krieges zwischen den Supermächten Sowjetunion und USA öffneten sich auch einige berühmte, aber früher nicht besuchbare Plätze - wahre Magnete für Weltraumfans. Ein russischer Reiseveranstalter mit dem neu-slawischen Namen ‚Country of Tourism’ hat sich auf Raumfahrttourismus spezialisiert. Auf dem legendären russischen Kosmodrom Baikonur in der kasachischen Steppe, dem ersten Weltraumstartplatz für hunderte von Weltraum-Raketen mit und ohne Mensch - einschließlich der ‚Wostok’ mit Gagarin, ist der Fan für 3.790 € bei einem Start als Zeuge dabei. Der Preis wurde übrigens um 710 € gesenkt. Oder: Im berühmten Gagarin Kosmonauten Training Zentrum im Sternen-Städtchen bei Moskau können Besucher sehen, wie sich Weltraumflieger auf ihre Mission vorbereiten. Es kann auch mitgemacht werden: Das Wirbeln mit der größten Zentrifuge der Welt erfordert allerdings einen hohen physischen und psychischen Status. In einem riesigen Wasserbecken können außerdem mit einem Modell der Raumstation ‚Mir’ in Originalgröße unter Wasser Weltraum-‚Spaziergänge’ trainiert werden. Bei einem so genannten ‚Zero-Gravity-Flug’ wird absolute Schwerelosigkeit erlebt. Geboten werden zudem Kosmonauten-Überlebenstouren im Wald. Man weiß ja nie, wo man mal landet…
Der ‚Spaceport America’ hält vor dem ersten Touristen-Start Souvenirs zum Träumen bereit. Outfit ist alles! Geradezu zum Schnäppchenpreis kann Otto-Normal-Verbraucher im Internet-Shop für Mann, Frau, Kind und sogar Baby bei Spaceport America T-Shirts und Shorts, Tassen und Taschen etc. ab 12,50 Dollar aufwärts einkaufen. Notizbücher sind preiswerter…

Ein Gedanke zur Zukunft
Reisen weitet den Horizont, außerirdische Reisen um die Erde lassen ihn - wir vermuten mal - verschwinden. Wie bisher Kosmonauten und Astronauten, so werden auch Touristen anderer Berufe von der Sicht auf den Erdball begeistert sein und Philosophieren. Es ist wahrscheinlich - bald werden auch so genannte ‚arme’ Geldverdiener sagen können: „Bitte einmal um die Erde und zurück!“

 

autorisiert: Dr. Harald Schmidt

publiziert am 11. April 2011